Uncategorized

Zwischen Zoom und Zeitdruck – wie wir in Unternehmen gesünder arbeiten können

Die Digitalisierung hat unsere Arbeitswelt in den letzten Jahren stark verändert – und die Corona-Pandemie wirkte wie ein Katalysator. Was früher die Ausnahme war – Homeoffice, virtuelle Teams, digitale Tools – ist heute für Millionen Beschäftigte Alltag. Doch diese neue Flexibilität bringt nicht nur Vorteile mit sich. Statt kürzerer Wege und besserer Vereinbarkeit erleben viele eine Zunahme von Stress, Überlastung und Erschöpfung.

Was passiert, wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen? Wenn das nächste Meeting nur einen Klick entfernt ist – aber nie ein Ende in Sicht? Genau hier setzt betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) an. Als strategisches Instrument hilft es Unternehmen, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern – gerade in einer Zeit, in der psychische Belastungen und chronischer Stress massiv zunehmen.


Zahlen, die aufhorchen lassen: Wie gestresst sind wir wirklich?

Aktuelle Studien belegen:

  • Über 60 % der Berufstätigen fühlen sich laut einer DAK-Studie 2023 regelmäßig gestresst.
  • Jeder zweite Arbeitnehmerin im Homeoffice gibt an, Probleme bei der Trennung von Beruf und Privatleben zu haben (TK-Stressstudie 2021).
  • Die Zahl der psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt (AOK Fehlzeitenreport 2023).
  • Burnout-nahe Zustände betreffen mittlerweile nicht nur Führungskräfte, sondern auch junge Berufseinsteiger:innen und Azubis.

Die Entwicklung ist alarmierend – und sie betrifft längst nicht nur die individuelle Ebene. Krankheitsbedingte Ausfälle kosten Unternehmen jährlich Milliarden. Noch teurer ist der Produktivitätsverlust durch „Präsentismus“, also das Arbeiten trotz Krankheit – besonders bei psychischen Beschwerden.


Zwischen Zoom-Meetings, Deadlines und Dauererreichbarkeit

Was stresst uns eigentlich?

Viele der heutigen Belastungsfaktoren sind nicht direkt sichtbar – aber höchst wirksam:

  1. Virtuelle Dauerpräsenz:
    Mitarbeitende erleben mehr Meetings, häufig ohne Pause – „Zoom-Fatigue“ ist ein bekanntes Phänomen. Eine Studie der Stanford University zeigt, dass das ständige Sehen des eigenen Gesichts in Videokonferenzen den Stresslevel messbar erhöht.
  2. Entgrenzung der Arbeit:
    Homeoffice führt oft zu längeren Arbeitszeiten. Arbeitspsycholog:innen sprechen von „Selbstausbeutung“, wenn Menschen aus Pflichtgefühl oder Unsicherheit keine klaren Pausen oder Feierabende machen.
  3. Fehlende soziale Interaktion:
    Der Smalltalk in der Teeküche oder das Lachen im Teammeeting – all das fehlt im digitalen Arbeitsalltag. Isolation und Einsamkeit wirken sich langfristig negativ auf Motivation, Stimmung und sogar das Immunsystem aus.
  4. Multitasking & Reizüberflutung:
    Zwischen Chatnachrichten, E-Mails, Anrufen und To-do-Listen fällt es schwer, konzentriert zu arbeiten. Das Gehirn ist im Dauerstressmodus, was langfristig zu kognitiven Erschöpfungszuständen führen kann.

Stressfolgen: Wenn der Körper nicht mehr mitmacht

Die körperliche und psychische Dimension

Der menschliche Körper ist grundsätzlich auf kurzfristige Stressreaktionen ausgelegt – sie sind evolutionär sinnvoll. Doch chronischer Stress ohne ausreichende Erholungsphasen führt zu:

  • Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Schlafstörungen
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Depressionen, Angststörungen, Burnout
  • Schwächung des Immunsystems
  • Verringerte Konzentrationsfähigkeit und Produktivität

Besonders kritisch: Psychische Erkrankungen bleiben oft lange unbemerkt. Betroffene „funktionieren“ noch – bis sie eines Tages nicht mehr können.

Two professional women discussing ideas on a whiteboard in a modern office setting.

Betriebliche Gesundheitsförderung: Was Unternehmen jetzt tun können

Gesundheit am Arbeitsplatz darf keine Privatangelegenheit mehr sein. Unternehmen tragen Verantwortung – und können gleichzeitig profitieren: Gesunde Mitarbeitende sind motivierter, loyaler und leistungsfähiger.

Hier kommen zwei zentrale Hebel ins Spiel:

  • Gesunde Organisationskultur
  • Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

🔄 Strukturmaßnahmen gegen Stress

1. Klare Regeln zur Erreichbarkeit
→ Beispiel: „Keine Mails nach 18 Uhr“ oder „Meetingfreie Freitage“
→ Signalisiert: Gesundheit geht vor, Erholung ist wichtig.

2. Digitale Meetinghygiene etablieren
→ Maximal 45 Minuten, Kamera freiwillig, Pausen zwischen Terminen
→ Studien zeigen: Weniger, aber gezieltere Meetings erhöhen die Produktivität.

3. Führungskräfte schulen
→ Führungskräfte beeinflussen maßgeblich das Stresslevel im Team.
→ Schulungen zu wertschätzender Kommunikation, Früherkennung von Überlastung und Selbstfürsorge sind zentral.

4. Homeoffice ergonomisch gestalten
→ Zuschüsse für Schreibtisch, Bildschirm & Co.
→ Bewegungsimpulse durch kurze Stretch- oder Laufchallenges im Team


BGM als strategisches Werkzeug

Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist weit mehr als Rückenkurse oder Obstkörbe. Es verknüpft Arbeitsgestaltung, Prävention und Kulturentwicklung.

Kernbereiche eines modernen BGM:

  • Verhältnisprävention: gesunde Arbeitsstrukturen, Arbeitszeitsysteme, technische Tools
  • Verhaltensprävention: Programme zur Resilienz, Stressbewältigung, Schlaftraining
  • Digitale Gesundheitsförderung: Apps, Online-Coachings, virtuelle Fitnesskurse
  • Psychologische Unterstützung: externe Ansprechpartner, Employee Assistance Programme (EAP)
  • Evaluation & Analyse: regelmäßige Befragungen, Gesundheitsreports, Krankheitsanalysen

Beispielhafte BGM-Maßnahmen:

  • Wöchentliche digitale Entspannungsübungen per Live-Stream
  • Anonyme psychologische Beratung über eine Partnerplattform
  • Geführte „Walk & Talk“-Meetings für Führungskräfte
  • Persönliche Gesundheitsbudgets für jeden Mitarbeitenden
  • Virtuelle Gesundheitswoche mit interaktiven Angeboten

Unternehmenskultur – der unterschätzte Gesundheitsfaktor

Ohne eine offene, vertrauensvolle Unternehmenskultur bleiben auch die besten Programme wirkungslos. Mitarbeitende müssen wissen:
„Es ist okay, Hilfe anzunehmen. Und es ist okay, über Belastung zu sprechen.“

Das erfordert:

  • Offenheit im Umgang mit mentaler Gesundheit
  • Enttabuisierung von Erschöpfungssymptomen
  • Sichtbarkeit von Vorbildern, die gesund führen
  • Raum für Pausen, Nicht-Verfügbarkeit und echte Erholung

Ausblick: Die gesunde Arbeitswelt der Zukunft

Gesundes Arbeiten ist kein Zustand – es ist ein dynamischer Prozess, der mit den Entwicklungen der Arbeitswelt mitwachsen muss. Die Herausforderungen von heute (Digitalisierung, ständige Verfügbarkeit, hybride Strukturen) sind nicht mit den Methoden von gestern zu lösen.

BGM der Zukunft ist:

  • flexibel und integriert in die Arbeitsabläufe
  • digital und dennoch persönlich
  • verhaltensnah, aber strukturell wirksam
  • partizipativ – Mitarbeitende gestalten aktiv mit
  • strategisch – als Teil der Unternehmens-DNA

Fazit: Gesund arbeiten ist möglich – aber nicht zufällig

Zwischen Zoom und Zeitdruck braucht es mehr als guten Willen. Es braucht Strategien, Strukturen und eine klare Haltung von Unternehmen:
„Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden ist uns wichtig – und sie beginnt nicht erst bei der Krankmeldung.“

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist dabei kein Luxus – es ist eine Investition in Zukunftsfähigkeit, Resilienz und Menschlichkeit im Job. Und gerade in Zeiten ständiger Veränderung ist das ein unschätzbarer Wert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert